Elektrotechnische Zeitschrift, April 27, 1905, pages 413-414:

Regelung  der  Funkentelegraphie  im  Deutschen  Reich.

      Das Amtsblatt des Reichs - Postamts veröffentlicht unter dem 30. März eine "Vorschrift für den Gebrauch der Funkentelegraphie im öffentlichen Verkehr". Wir geben den wesentlichen Inhalt der Vorschrift, die bereits mit dem 1. April in Kraft getreten ist, nachstehend wieder:

1.  Allgemeines.

      In dieser Vorschrift bezeichnet:
      "Schiffsstation" eine Funkentelegraphenstation auf einem der Seeschiffahrt dienenden Schiffe.
      "Küstenstation" eine feste Funkentelegraphenstation auf dem Festlande, auf einer Insel oder auf einem dauernd verankerten Schiffe, deren Wirkungsbereich sich auf das Meer erstreckt.
      "Funkentelegramm" das mittels Funkentelegraphen übermittelte Seetelegramm.
      Auf den Verkehr mit Funkentelegraphie finden die Im internationalen Telegraphenvertrage nebst Ausführungsübereinkunft (Londoner Revision 1903) und der Telegraphenordnung für das Deutsche Reich enthaltenen Bestimmungen über Seetelegramme Anwendung, soweit diese Vorschrift keine Ausnahmen festsetzt.
      Die Auswechselung der Funkentelegramme mit dem Reichstelegraphennetze regelt sich nach den für die Seetelegramme erlassenen Bestimmungen.
      Der Text der Funkentelegramme kann in jeder der in der Londoner Ausführungsübereinkunft zum internationalen Telegraphenver trage zugelassenen Sprachen abgefaßt werden.
      In zweifelhaften Fällen liegt die Entscheidung bei der Reichstelegraphenanstalt, an welche die Funkentelegramme zur Weiterbeförderung abgegeben werden.

2.  Bereich der Vorschrift.

      Die Vorschrift regelt den funkentelegraphischen Verkehr zwischen den deutschen "öffentlichen Küstenstationen" und allen mit ihnen in Verkehr tretenden Funkentelegraphenstationen. Die Stationen auf Feuerschiffen verkehren in der Regel nur mit einer bestimmten Küstenstation und befördern
      1. Telegramme (dienstliche und private), die von ihrer Besatzung ausgehen oder an sie gerichtet sind;
      2. Telegramme, die ihnen etwa von Schiffen auf anderem als funkentelegraphischem Wege zur Weiterbeförderung zugehen.
      Mit Schiffen in See dürfen diese Stationen funkentelegraphisch nur in Fällen der Not verkehren.
      Die Küstenstationen, welche nicht "öffentliche Küstenstationen" sind (d. h.. alle, die nicht unter 5 a genannt sind), haben im Verkehr mit diesen nach den für Schiffsstationen geltenden Bestimmungen dieser Vorschrift zu verfahren.
      Die Vorschrift gilt ferner sinngemäß für den funkentelegraphischen Verkehr der unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe unter sich.

3.  Dienstbereitschaft der Küstenstationen.

      Jede öffentliche Küstenstation der Reichsmarineverwaltung ist zu jeder Tages- und Nachtzeit betriebsbereit, sofern dieselbe nicht von der vorgesetzten Behörde aus Betriebsrücksichten oder zu Manöver- oder zu Versuchszwecken gesperrt wird.
      Die öffentlichen Küstenstationen haben
 
die Wellenlänge von .  .  .  365 m
die Reichweite (auf eine gleiche Station bezogen) von .  .  .  200 km
die Reichweite (auf ein Schiff mit 30 m hohem Maste bezogen) von .  .  .  120 km
(bei normaler Witterung).

4.  Verfahren.

a)  Beförderungszeichen.

      Zur Anwendung kommen die bekannten Morsezeichen, denen folgende Signale hinzugefügt sind:
      ------ Ruhezeichen; darf nur von öffentlichen Küstenstationen gegeben werden;
      ...---... Notzeichen; wird von einem Schiffe in Not solange wiederholt, bis alle anderen Stationen ihren Verkehr abgebrochen haben;
      ...---. Suchzeichen; darf von Schiffen auf hoher See wiederholt mit ihren eigenen Namen, die dem Zeichen folgen müssen, gegeben werden; es ist zu beantworten durch "hier" mit nachfolgenden Namen.

b) Reihenfolge der Beförderung.

      Die Funkentelegramme werden in nachstehender Reihenfolge befördert: Staatstelegramme, Diensttelegramme, dringende Privattelegramme, nicht dringende Privattelegramme.
      Die Funkentelegramme der Schiffe in Seenot haben den Vorrang vor jedem der genannten Funkentelegramme und sind mit Unterbrechung jeder anderen etwa bestehenden Verbindung zu befördern. In diesem Falle hat das hilfesuchende Schiff das Notzeichen andauernd zu geben bis der Verkehr der anderen Stationen aufgehört hat. Folgt dem Notzeichen kein Anrufszeichen für eine bestimmte Station, so hat sich jede Station, welche dasselbe vernimmt, zu melden.

c)  Anruf.

      Den öffentlichen Küstenstationen liegt die Leitung des funkentelegraphischen Verkehrs mit den Schiffsstationen innerhalb ihrer Höchstreichweite ob. Ihren Anordnungen ist von den Schiffsstationen und den Küstenstationen mit beschränktem öffentlichen Verkehr (vgl. 5 b) unbedingt Folge zu leisten.
      Die öffentliche Küstenstation bestimmt die Reihenfolge des Verkehrs nach folgenden Gesichtspunkten.
      Vorzugsweise Behandlung erfährt dasjenige Schiff, welches nach seiner Lage, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit die Zone der gegenseitigen Verständigung zuerst verläßt.
      Eine Schiffsstation darf sich nur au die nächste öffentliche Küstenstation wenden, ausgenommen in dem Falle, daß sich eine Verständigung mit dieser wegen Betriebsschwierigkeiten nicht herstellen läßt.
      Eine Schiffsstation darf nicht früher anrufen, als bis sie in die sichere Reichweite der Küstenstation gelangt ist. Diese ist etwa gleich ¾ der höchsten Reichweite der Küstenstation, bezogen auf die Schiffsstation.
      Jede Schiffsstation verwendet von den ihr zur Verfügung stehenden Wellenlängen beim Anrufe diejenige, die der Wellenlänge der Küstenstation am nächsten liegt.
      Jede Station muß, bevor sie ihre Anrufe beginnt, durch ihren Hörapparat oder, wenn sie keinen besitzt, durch Einstellung ihres Empfangsapparates auf höchste Empfindlichkeit feststellen, ob schon ein anderer Verkehr im Gange ist. Ist dies der Fall, so muß sie so lange mit dem Anrufe warten, bis jener beendet ist.
      Alle Stationen dürfen den gegenseitigen Verkehr nur mit geringster Intensität des Gebers abwickeln.
      Auf das Ruhezeichen der öffentlichen Küstenstation muß eine Schiffsstation sofort mit dem Geben aufhören und darf erst wieder fortfahren, wenn sie zum Geben aufgefordert wird.
      Das Ruhezeichen darf nur von öffentlichen Küstenstationen gegeben werden.
      Wird der Anruf der Schiffsstation von der Küstenstation nicht beantwortet, so darf sie ihren Anruf noch dreimal In Pausen, die nicht kürzer als 5 Minuten sind, wiederholen.
      Wird auch der vierte Anruf nicht beantwortet, so darf die Schiffsstation erst nach einer Pause von 1 Stunde von neuem beginnen, die Küstenstation anzurufen.
      Ist auch dies ohne Erfolg, so darf das Verfahren wie beschrieben, fortgesetzt werden.
      Sucht eine Schiffsstation auf hoher See Verbindung mit einer anderen, so gibt sie das Suchzeichen wiederholt mit ihrem Namen, welcher dem Zeichen folgen muß.
      Es ist gegebenenfalls durch "hier" mit folgendem Namen zu beantworten.

d)  Beförderung.

      Die Adresse der Telegramme nach Schiffen in See muß die genaue Bezeichnung des Empfängers, der Küstenstation, die die Telegramme vermittein soll, den Namen des Schiffes oder seine amtliche Nummer und die Nationalität des Schiffes enthalten.
      Im Kopfe der von Schiffen in See her rührenden Telegramme erscheint als Aufgabeanstalt die vermittelnde Küstenstation. Dahinter wird der Name des Schiffes hinzugefügt.
      Die Übermittelung der für Schiffe bestimmten Funkentelegramme findet nur statt, wenn das Schiff die Küstenstation beim Passieren anruft und solange es sich noch in ihrer Reichweite befindet.
      Wenn das Schiff, für welches ein Funkentelegramm bestimmt ist innerhalb der vom Aufgeber bezeichneten Frist oder beim Fehlen einer solchen Angabe am Morgen des 29. Tages sich nicht bei der Küstenstation gemeldet hat, gibt die Küstenstation dem Aufgeber Nachricht. Der Aufgeber hat die Befugnis, durch gebührenpflichtiges Diensttelegramm oder brieflich zu verlangen, daß die Küstenstation sein Telegramm während eines weiteren Zeitraumes von 30 Tagen zur Zustellung bereit halte u. s. f. In Ermangelung eines solchen Verlangens wird das Telegramm am 30. Tage (Tag der Aufgabe nicht mitgerechnet) als unbestellbar zurückgelegt.
      Für Funkentelegramme ist außer der gewöhnlichen Telegrammgebühr ein Seezuschlag von 80 Pf. zu entrichten. Diese Gebühren werden stets bei dem Aufgeber bzw. Empfänger des Telegrammes an Land erhoben.
      Soweit zur Zeit die Gebührenfrage in einzelnen Fällen anders geregelt ist, bleibt es bis auf weiteres dabei.

e) Aufnahmen und Empfangsbestätigung.

      Unter Beobachtung der unter 4c ausgesprochenen Vorschriften beginnt ein Schiff den funkentelegraphischen Verkehr mit dem Anfangszeichen, dreimaligem Anruf der Küstenstation, darauffolgendem v und eigenem Rufzeichen oder, falls solches nicht festgesetzt ist, mit dem Namen.
      Die Küstenstation antwortet, indem sie nacheinander das Anfangszeichen, das Rufzeichen der rufenden Station, v, ihr eigenes Rufzeichen und -.- als Aufforderung zum Geben oder das Wartezeichen (.-...) gibt; im letzteren Falle ist die Minutenzahl der voraussichtlichen Wartezeit und, wenn diese 10 Minuten übersteigt, auch der Grund der verzögerten Abnahme hinzuzufügen.
      Hat die Küstenstation das Wartezeichen gegeben, so muß das Schiff weiteren Anruf abwarten.
      Darauf beginnt das Schiff sein Telegramm. Der Kopf des Telegrammes hat die Charakterbezeichnung des Telegrammes (s, ss, a, d, d. h. Staatstelegramm, gebührenfreies Staatstelegramm, Diensttelegramm, dringendes Privattelegramm) zu enthalten. Dann folgt der Name der Bestimmungsanstalt (Ort, wohin das Telegramm gerichtet ist), v oder de, der Name des Schiffes, die Aufgabenummer - falls das Telegramm nach dem Auslande gerichtet ist -, die Wortzahl und die Aufgabezeit des Telegrammes. Diese ist mit drei Zahlen (Tag des Monats, Stunde, Minute) anzugeben.
      Nach diesem Kopfe werden nacheinander die besonderen Vermerke, die Aufschrift, der Text und die Unterschrift des Telegrammes übermittelt.

5.  Anrufzeichen der deutschen Küstenstationen und der deutschen Handelsschiffe.

a) Die öffentlichen Küstenstationen.
 
  1.  Rixhöft. k r x
  2.  Arcona. k a r
  3.  Marienleuchte. k m r
  4.  Bülk. k b k
  5.  Helgoland. k h g
  6.  Cuxhaven. k c x
  7.  Borkum Leuchtturm. k b m
  8.  Borkumriff Feuerschiff. f b r

b) Küstenstationen mit beschränktem
öffentlichen Verkehr.
 
  1.  Bremerhaven Lloydhalle. k b h
  2.  Weser Feuerschiff. f w f
  3.  Elbe I Feuerschiff. f e f

c) Handelsdampfer.
 
  1.  Kaiser Wilhelm der Große.(Ndd. Lloyd)  d k w
  2.  Kronprinz Wilhelm. (        "        )  d k p
  3.  Kaiser Wilhelm II. (        "        )  d k m
  4.  Deutschland. (H. A. P. A.-G.)  d d l
  5.  Moltke. (          "           )  d d m
  6.  Blücher. (          "           )  d d b
  7.  König Albert. (          "           )  d k a
  8.  Meteor. (          "           )  d m r
  9.  Cap Ortegal. (H. S. A. L.)  d c o
10.  Cap Blanco. (        "       )  d c b
11.  Prinz Adalbert. (Kiel-Korsör-Linie)  d p a
12.  Prinz Sigismund. (             "            )  d p s
13.  Prinz Waldemar. (             "            )  d p w

      Schiffe, für welche keine Anrufzeichen für den Verkehr mit deutschen Küstenstationen festgesetzt sind, haben sich mit ihrem Namen zu melden, der dann bei der Beförderung an Stelle des Anrufzeichens gebraucht wird.
      Anrufzeichen für Funkentelegraphenstationen werden von der Behörde festgesetzt, welch die Erlaubnis zur Errichtung von Funkentelegraphenstationen erteilt.         W. M.